Wolle blau färben – das wollte ich schon immer mal machen! Aber so richtig gut blau wird es nur mit Indigofarbstoffen, und die erfordern ein komplexes Färbeverfahren mit Küpe und Co- dachte ich immer. Daher war ich sehr erfreut, als ich zwei schnelle Färbemethoden fand, die ohne viel Equipment, Erfahrung und Zeit einfach zuhause umsetzbar sind.
Verbreitete Färbepflanzen mit blauen Farbstoffen
Indigo war in früheren Zeiten der einzige blaue Farbstoff mit hervorragender Lichtechtheit. Auf der ganzen Welt wurden bzw. werden Pflanzen zum Blaufärben verwendet. Die drei wichtigsten Vertreter sind sind:
- Indigopflanzen der Gattung Indigofera (z.B. Indigofera tinctoria in Indien, I. suffruticosa in Mexiko und Südamerika, I. arrecta in Äthiopien, I. australis in Australien)
- der in Europa wachsende Färberwaid (Isatis tinctoria)
- der aus Asien stammende Färberknöterich (Polygonum tinctorium, auch Persicaria tinctoria).
Vom Färberknöterich sind verschiedene Varianten bekannt, die sich z.B. in der Blütenfarbe unterscheiden. Ich bekam Anfang 2021 Samen vom Japanischen Färberknöterich geschenkt, und obwohl ich nicht so für meinen Grünen Daumen bekannt bin, musste ich das mal probieren.
Der Färberknöterich ist nicht winterhart und muss daher vorgezogen werden. Im Winter zog ich also aus den Samen auf der Fensterbank kleine Pflänzchen. Im Frühling kamen sie dann in einen größeren Topf auf die Terrasse. Wenn man die Triebe abknipst, werden die Pflanzen wohl etwas buschiger (das habe ich bei meinen Pflanzen vergessen…). Der Standort sollte hell und nicht zu trocken sein, bei zu wenig Wasser lassen die Pflanzen schnell die Köpfe hängen. Aber darum musste ich mir diesen Sommer keine Gedanken machen, denn es war leider eher kühl und nass und die Pflanzen sind nur langsam gewachsen. Anfang August war es dann soweit, ich konnte den ersten Färbeversuch starten.
Selbst jetzt, im Oktober, sind noch genügend Blätter da, um kleine Mengen Wolle färben zu können. Sogar Blüten treiben noch aus.
Etwas Chemie vorneweg – Wie funktioniert Blaufärben?
Bei den meisten anderen Färbungen liegt der Farbstoff direkt in der Färbepflanze vor, er muss nur noch extrahiert und dazu gebracht werden, sich an der Faser „festzuhalten“. Im Gegensatz dazu liegt der Indigofarbstoff in den Blättern Pflanzen als wasser-unlösliche, farblose Vorstufe vor. Diese Vorstufe, Indican genannt, besteht aus einem Zuckerteil und einem Indoxylteil. Sobald die Blätter geerntet sind, wird der Zuckerteil durch freiwerdende Enzyme abgespalten und der Indoxylteil freigesetzt. Indoxyl selbst ist noch farblos. Unter Einwirkung von Sauerstoff (=Oxidation) verbinden sich zwei Indoxyle zu Indigotin, dem blauen Indigofarbstoff. Das Indigotin ist wasserunlöslich.
Der Clou besteht nun darin, den Farbstoff auf die Fasern zu bringen, solange die lösliche Indoxylform vorliegt. Wenn sich das unlösliche, blaue Indigotin bildet, sollte der Farbstoff idealerweise schon auf die Fasern aufgezogen sein. Dafür hat man allerdings nicht sehr lange Zeit, wenn man keine weiteren Vorkehrungen chemischer Natur ergreift (also eine Küpe ansetzt – auf die Küpenfärbung möchte ich in einem separaten Artikel eingehen).
Ein ganz großer Vorteil des Blaufärbens ist: Die Wolle muss nicht gebeizt werden. Der Farbstoff zieht in die Faser ein und schlägt sich dort direkt nieder (er „präzipitiert“ – Hände hoch, wer kennt das Wort noch aus dem Chemieunterricht?). Das spart eine Menge Zeit – vor allem, wenn man wie ich nicht auf Vorrat beizt sondern immer nur mit einem bestimmten Projekt im Kopf.
Zwei schnelle Färbemethoden kurz vorgestellt
Für das schnelle Färben mit Färberknöterich habe ich zwei Methoden finden können: einmal die Salzmethode und einmal die Eismethode. Die Salzmethode habe ich ausprobiert und kann Dir hier meine Ergebnisse zeigen, die Eismethode steht für später auf dem Plan.
1. Blau Färben mit der Salzmethode
Im Netz stieß ich auf diesen wunderbaren Blogartikel bei STILL Garments (die einen ganz tollen Blog zu Färbepflanzen hat und auch Workshops anbietet – schaut da unbedingt mal vorbei!). Im Grunde werden dabei die Blätter mit normalem Salz so lange geknetet, bis eine Flüssigkeit austritt. Diese Flüssigkeit wird dann in das Garn oder den Stoff eingeknetet. Für Kammzüge kann ich mir diese Aufbereitungsmethode allerdings nicht vorstellen, die Gefahr des Filzens wäre mir einfach zu groß.
Ich habe insgesamt 77g Blätter verwendet von Stängeln, die noch keinen Blütenansatz hatten. Meine beiden Wollstränge waren 32g bzw. 21g schwer.
Die Blätter habe ich in einer Edelstahlschüssel mit einer Gartenschere etwas kleingeschnitten und dann einen guten Esslöffel Salz zugegeben (per Augenmaß, ich hatte grad keinen Löffel da). Dann fing ich an, mit den Händen das Salz in die Blätter einzukneten. Nach ca. 3 min trat Flüssigkeit aus und fing an, leicht zu schäumen. Nach insgesamt ca. 10min begann sich ein leichter bläulicher Schimmer abzuzeichnen. An dieser Stelle habe ich die Wolle zugegeben.
Ich schleuderte die vorgeweichten (nicht gebeizten) Wollstränge aus und gab den 30g-Strang zu den Blättern. Das Ganze knetete ich durch und war nicht sehr zart dabei. Nach ca. 2-3 min war überall auf der Wolle Farbe zu sehen, aber um es etwas gleichmäßiger hinzubekommen, knetete ich noch etwas weiter. Als der Farbton mir gefiel (es wurde ein schönes, tiefes blaugrün), nahm ich den Strang heraus und schüttelte die Blätterreste ab, so gut es ging. Die Blattmasse und die verbliebene Flüssigkeit machten den Eindruck, als sei noch ausreichend Farbstoff vorhanden, und so fügte ich für einen zweiten Zug den zweiten ausgeschleuderten Strang hinzu. Die im Strang enthaltene enthaltene Restfeuchtigkeit war sehr hilfreich, um die verbliebene Farbe einzuarbeiten. Es war etwas mühsamer als beim ersten Strang, aber von der Farbintensität unterschieden sich die beiden nicht wesentlich.
Nachdem auch der zweite Strang ca. 5 min geknetet war, drückte und schleuderte ich die Stränge aus und hing sie ohne vorheriges Ausspülen zum Trocknen auf. Nach ca. 1h war die verbliebene Blattmasse deutlich bläulicher als zu Beginn.
Von den Farbtönen bin ich sehr angetan. Es ist kein klassisches Indigoblau, aber auch sehr schön! Wer es intensiver mag, kann sicher auch versuchen, bereits gefärbte Garne nochmals zu färben (und so die mehrmaligen Tauchgänge in einer Indigoküpe imitieren).
Alles in allem war ich vom Abschneiden der Zweige bis zum gefärbten Garn nicht mehr als eine halbe Stunde beschäftigt – das ist deutlich schneller als andere Naturfärbungen! Nach ca. 5min begann sich die erste Blaufärbung zu zeigen, aber man hat genügend Zeit, die Flüssigkeit einzuarbeiten. Welche Rolle das Salz dabei spielt, konnte ich noch nicht herausfinden. Meine Vermutungen: es könnte zum Aufschließen der Zellen dienen oder auch die Oxidation des Indoxyls verlangsamen. Wenn Du hier mehr weißt, hinterlass mir doch bitte einen Kommentar!
2. Blau Färben mit der Eismethode
Beim Blau Färben mit der Eismethode brauchst Du ebenfalls nur 2 Zutaten – frische Blätter vom Japanischen Färberknöterich und jede Menge Eis. Beschrieben ist sie in dem Buch „Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko. Sie beruht im wesentlichen darauf, dass bei niedrigeren Temperaturen die Umwandlung des farblosen Indican zum blauen Indigotin langsamer abläuft. Der Farbstoff muss auf das Färbegut aufgezogen sein, bevor er blau geworden ist.
Die frisch geernteten (oder eingefrorenen) Blätter werden in einen Mixer bzw. Zerkleinerer gegeben, kaltes Wasser und Eiswürfel zugegeben und das Ganze auf Eis püriert. Am besten steht das Püriergefäß ebenfalls in einer Schüssel mit Eiswürfeln. Nicht zu lange pürieren, sonst wird die Flüssigkeit zu warm und die Farbreaktion läuft zu schnell ab. Nach dem Pürieren werden die Blätter abgeseiht und die (vorgekühlte, gut durchfeuchtete) Wolle wird in die Färbeflüssigkeit gelegt. Vom Beginn des Pürierens bis zum Ende der Färbung sollten nicht mehr als 7-10 min vergehen.
Und wie ist es mit der Lichtechtheit?
Manchmal sind Naturfarben nicht ganz lichtecht und vergrauen oder bleichen mit der Zeit aus. Wie ist das mit meiner Färbung nach der Salzmethode? Ich habe mal flugs was vorbereitet, einige Fäden um eine Karteikarte gewickelt und ins Südfenster gelegt. Noch läuft das Experiment, aber ich habe mal geschmult…tja, und leider sieht es so aus, als würde das schöne Blau verblassen. Die genaue Auswertung folgt in ein paar Wochen, wenn ich mit Sicherheit Unterschiede erkennen kann. Stay tuned !
Ergänzung:
Hier sind nun die Ergebnisse der Lichtechtheitsprüfung nach 3 Monaten Exposition im Südfenster. Es ist erkennbar, dass die Farbe bei beiden Strängen etwas verblasst (im Original noch etwas besser als auf den Fotos). Mir persönlich macht das nichts – jetzt bin ich nur noch gespannter darauf, wie es wohl mit einer Küpenfärbung aus dieser Pflanze wäre…
Quellen
„Natural Dyes“ D. Cardon (2007), ISBN 978-1-904982-00-5
„The Science of Teaching with Natural Dyes“ J.M. Buccigross (2006), ISBN 1-4196-4104-2
„Handbuch der Naturfarbstoffe“ H. Schweppe (1993), ISBN 3-933203-46-5
„Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko, Haupt Verlag, ISBN 978 – 3 – 258 – 60212 – 7
Hallo Kathrin!
Schöner Artikel, und die Eismethode möchte ich auch endlich mal ausprobieren! Scheitert bei mir immer am Mixer, und dann wird es doch die stromfreie Variante im Garten…
Ich denke, dass die (Haupt-)Aufgabe vom Salz ist, die Flüssigkeit, und damit auch die Farbstoffe, schnell aus den Blätter zu ziehen. Die Eismethode zeigt ja, ohne Salz geht es auch – aber wenn man nur mit den Händen arbeitet, hilft das Salz, weil’s ja Wasser anzieht.
Was die Lichtechtheit ist, ist die bei der klassischen Indigoküpe meinem Gefühl nach besser. Ich habe aber auf Seide sehr gute Haltbarkeit beobachtet, umso mehr, wenn man den Stoff trocknen lässt, und das Ganze noch ein- oder mehrmals wiederholt.
Frohes Färben weiterhin!
Elke
Hallo Elke,
vielen Dank für Deinen schönen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass Dir mein Artikel gefällt 🙂 Am Mixer wird es bei mir vermutlich auch scheitern, es sei denn ich kann irgendwo einen günstig erstehen…aber dann steht wieder ein Gerät mehr im Keller *seufz*.
Bei dem Salz spukt mir auch der Begriff „Osmose“ durch den Kopf, d.h. daß das Salz sozusagen beim Aufschluß der Zellen und somit der Freisetzung der Farbstoffe helfen kann. Tierische Zellen platzen bei zu hohem osmotischen Druck einfach (sie haben ja nur eine Zellmembran). Pflanzen haben hingegen Zellwände, und da reicht osmotischer Druck alleine wahrscheinlich nicht. Soweit ich mich an meine Uni-Zeit erinnere, kam beim Aufschluß von pflanzlichen Zellen immer schweres Gerät zum Einsatz (es gibt da so Supermixer, die heißen Ultra-Turrax. Und da isser wieder, der Mixer 🙂 ).
Manchmal stabilisiert Salz auch bestimmte Moleküle (Salzbrücken / ionische Wechselwirkungen, wenn ich mich recht erinnere), oder man kann damit bestimmte Substanzen ausfällen. Aber das macht man meist nicht mit Speisesalz. Ich finde es jedenfalls super spannend, damit zu experimentieren!
Vielen Dank auch für Deine Beobachtungen zur Lichtechtheit, ich bin gespannt, was meine Probe sagt. Da die Sonne jetzt nicht mehr so viel Kraft hat, werde ich das Experiment bestimmt bald beenden.
Viele Grüße!
Kathrin
toller Artikel. Werde ich auch mal machen.
Das Salz zieht tatsächlich die Flüssigkeit schneller aus denn Zellen, da das Wasser sich immer in die Richtung der höhere konzentrierten Seite bewegt (= Osmose).
Ich könnte mir für den Zellaufschluss auch vor stellen, dessen hilfreich ist die Blätter einzufrieren. Hat den Vorteil, daß in mehreren Etappen gesammelt werden kann. Aber vorallem ist das Einfrieren beim Zellaufschluss hilfreich, da die Zellen durch den Einfrierprozess und der damit verbundenen Zunahme des Wasservolumens aufbrechen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass eine Weiterverarbeitung im gefroren Zustand vorteilhaft ist. Dann kann man auf das Eis verzichten.
Oder in verschließbare Zipbeutel gefüllt und Luft soweit es geht herausdrücken vor dem Verschließen. Dann eventuell etwas antauen lassen und mit einem Nudelholz, oder Hammer bearbeiten bis alles breiig ist.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich diese Methode in Kombination mit der Salzmethode noch optimieren lässt.
Vielen Dank für Deinen Kommentar!
In der Tat sorgt die Osmose für den Flüssigkeitsaustritt, da hast Du recht. Pflanzenzellen sind aber immer auch von einer Zellwand umgeben, die nicht ganz so leicht zu zerstören ist wie tierische Zellen. Immerhin müssen pflanzliche Zellen durchaus höhere Turgorschwankungen aushalten können.
Blätter, die ich schon mal eingefroren habe, sind blau geworden. Durch die Bildung von Eiskristallen sind offenbar die Zellen kaputtgegangen, die verschiedenen Kompartimente haben sich gemischt, so dass der ganze Prozess sozusagen schon im gefrorenen Blatt ablief. Wenn der Farbstoff aber einmal blau geworden ist, bekommt man ihn nur noch durch Reduktion (d.h. in einer Küpe) wieder in einen verarbeitbaren Zustand. Die Blätter haben jedenfalls nach längerer Lagerung im Gefrierschrank nicht mehr funktioniert für eine Eismethode.
Was aber gehen könnte: Sie nur kurz einfrieren, für eine Stunde oder so. Das könnte in der Tat helfen! Das probier ich bestimmt mal aus.